Was ist LinksExtremismus?
Die Definition von Linksextremismus ist angesichts der Diversität und Vielfalt der linksextremen Szene besonders herausfordernd. Armin Pfahl-Traughber definiert Linksextremismus als “eine Sammelbezeichnung für alle politischen Auffassungen und Bestrebungen, die im Namen der Forderung nach einer von sozialer Gleichheit geprägten Gesellschaftsordnung die Normen und Regeln eines modernen demokratischen Verfassungsstaates ablehnen.” Innerhalb des Linksextremismus gibt es jedoch deutliche ideologische Unterschiede. Grundsätzlich kann zwischen Anarchismus und Marxismus als die zwei wichtigsten Ideologiefamilien differenziert werden, wobei der Unterschied sich v.a. “auf die Einstellung gegenüber der Institution des Staates und die Perspektive für dessen Überwindung” bezieht (ebd.).
Weiters muss zwischen Kapitalismuskritik, Sozialismus und Linksextremismus differenziert werden, denn die Minimalbedingungen (Gewaltenteilung und Individualität, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und Volkssouveränität) eines modernen demokratischen Verfassungsstaates sind ökonomisch bzw. wirtschaftspolitisch neutral. Erst wenn diese Minimalbedingungen von der jeweiligen Kapitalismuskritik bzw. Forderung nach einem sozialistischen System abgelehnt werden, kann man von Linksextremismus reden. (vgl. Pfahl-Traughber 2014)
linksextreme Geschichte, ideologie
Jaschke, Hans-Gerd (2014): Linksextremismus
Dieser Artikel schildert die Geschichte des Linksextremismus in Deutschland:“Betrachtet man die Entwicklung des Linksextremismus in der Bundesrepublik, so lassen sich mehrere wichtige Phasen erkennen. Nicht zufällig wurde die DKP 1968 gegründet - im "roten Jahrzehnt”.”
Für eine Erläuterung des linksextremen Menschenbilds, siehe: van Hüllen, Rudolf: Welches Menschenbild haben Linksextremisten?
Erscheinungsformen
Die deutschsprachige linksextreme Szene lässt sich grob in vier Milieus unterteilen: marxistische, leninistische und trotzkistische Fraktionen sowie das autonom-anarchistische Spektrum. Alle vier Milieus streben ein gemeinsames Ziel an, das darin besteht, das bestehende kapitalistische System abzuschaffen und durch einen sozialistischen Staat oder eine anarchistische (herrschaftsfreie) Gesellschaft zu ersetzen, sowie demokratische und rechtsstaatliche Regeln einzuschränken. (vgl. Mandl / Katona 2018)
Marxistische bzw. marxistisch-leninistische Fraktionen
Marxistische bzw. marxistisch-leninistische Fraktionen greifen auf die Lehren von Marx, Lenin, Mao, oder Stalin zurück. Ihr wichtigstes Anliegen ist die Abschaffung des kapitalistischen Systems und die Errichtung einer kollektivistischen, sozialistischen Gesellschaftsordnung. Für marxistisch-leninistische Plattformen gilt Sozialismus jedoch nur als Vorstufe zum Kommunismus. Für die Umsetzung dieser Ziele wird v.a. eine Revolution vorgesehen, die von der Gesellschaft mitgetragen werden soll. (vgl. Mandl / Katona 2018)
leninistische Fraktionen
Trotzkistische Fraktionen sind aus revolutionär-marxistischen Kreisen entstanden und sind Anhänger Trotzkis. Ihr primäres Ziel ist eine weltweite Diktatur des Proletariats ohne Staaten und Bürokratie. Dieses Ziel soll u.a. mit Gewalt erreicht werden, als Teil einer permanenten Revolution. Trotzkistische Gruppen sind eher klein und strukturell zersplittert, weshalb sie sich öfter anderen linken Initiativen (Parteien, Bewegungen, Gewerkschaften) anschließen, um diese zu unterwandern und für ihre Ziele zu instrumentalisieren. (vgl. van Hüllen 2014)
das autonom-anarchistische spektrum
Die autonom-anarchistische Szene ist ein Sammelbegriff für (eher subkulturelle) Bewegungen, deren Hauptziel es ist, jede Art von Herrschaft über Menschen abzuschaffen, insbesondere wenn sie von staatlicher Seite ausgeht. In diesem Spektrum fehlen häufig erkennbare politische Ziele: so wird zumeist keine konkrete Absicht definiert, außer dem Widerstand gegen die aktuelle Ordnung. Die Szene organisiert und definiert sich eher durch „Anti-Ansichten“. Anarchistische AkteurInnen verstoßen oft gegen Gesetze, da sie die Regeln und Normen des Rechtsstaats ablehnen bzw. bekämpfen diesen sogar mit Gewalt. Bei Demonstrationen sind sie oft als der “schwarze Block” erkennbar. (vgl. Mandl / Katona 2018; Pfahl-Traughber 2014)
Seit einigen Jahren spaltet sich das autonome Spektrum im deutschsprachigen Raum zunehmend. Einerseits entstehen dadurch militante Kleingruppen, andererseits gibt es immer mehr postautonome Zusammenschlüsse, um die als ineffektiv wahrgenommenen Aspekte der Autonomen zu überwinden. Als Resultat kommt es zu “einem aus marxistischen und anarchistischen Elementen bestehenden Weltbild mit dem Ziel einer herrschaftsfreien Gesellschaft.” (vgl. Baron 2017)
Das autonom-anarchistische Milieu ist zur Zeit die aktivste linksextreme Gruppierung im deutschsprachigen Raum und fokussiert sich vor allem auf „Antifaschismus“, Anti-Repression, Flüchtlinge und Asylsuchende, Kapitalismus-, Gesellschafts- und Wirtschaftskritik und die Etablierung von „Freiräumen“.
Weiterführende Literatur
Pfahl-Traughber, Armin (2020): Linksextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme
Der Linksextremismus auf einen Blick: Einführung in alle Aspekte des Themas in Deutschland
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg; Pfahl-Traughber, Armin (2020): Linksextremismus
Überblick zu Definition, Akteure, Symbole, Inhalte, Motive, Ziele, Aktionen, Gefahrenpotenzial
Pfahl-Traughber, Armin (2014): Linksextremismus in Deutschland im europäischen Vergleich. Eine komparative Betrachtung der gewaltorientierten und parteipolitischen Ebene
“Wie entwickelte sich der Linksextremismus in Frankreich, Griechenland, Italien und Schweden? Und welche Schlüsse kann man daraus für Deutschland ziehen?”
van Hüllen, Rudolf (2015): "Antiimperialistische" und "antideutsche" Strömungen im deutschen Linksextremismus
“"Nie wieder Deutschland!": Mit der deutschen Einheit erschien 1990 eine neue Strömung im linksextremen Spektrum. Die "Antideutschen" und "Antinationalen" haben sich längst als feste Größen in der linksextremen Ideenwelt etabliert. Ihre Herausbildung aus der klassisch "antiimperialistisch" ausgerichteten extremen Linken ist durchaus bemerkenswert.”
Pfahl-Traughber, Armin (2014): Die Autonomen zwischen Anarchie und Bewegung, Gewaltfixiertheit und Lebensgefühl
“Durch ihr gewalttätiges Auftreten sind die Autonomen wohl die bekannteste Subkultur im Linksextremismus. Sie formulieren aber kaum konkrete politische Ziele über die Verteidigung oder Erweiterung von "Freiräumen" hinaus.”
van Hüllen, Rudolf (2014): Das trotzkistische Spektrum im Linksextremismus
Baron, Udo (2017): Linksextremisten in Bewegung
Netzwerke, Strukturen
Die linksextreme Szene ist gespalten und aufgrund des ideologischen Hintergrunds z.T. nicht hierarchisch organisiert. Die Szene ist durch lose Netzwerke charakterisiert, die eher auf informelle, persönliche Beziehungen basieren und nicht als stabile Verbindungen gelten. (vgl. Counter Extremism Project). Konkret manifestiert sich diese Struktur zumeist in „Plattformen“ für Kooperationen, die der Szene einen sozialen Bewegungscharakter verleihen.
Ein gewisses Maß an organisatorischem Hintergrund kommt in marxistischen, leninistischen und trotzkistischen Fraktionen dennoch meist vor, selten jedoch im autonom-anarchistischen Spektrum. Bei ersteren gibt es häufig interne Gremien und Arbeitsgruppen zu bestimmten Anliegen und Themen (z. B. Feminismus, Klimawandel). Marxistische, leninistische und trotzkistische Fraktionen sind für ihre ideologischen Manifeste bekannt, welche die Ziele, Werte und Strategien der jeweiligen Gruppe definieren und dadurch eine gewisse Struktur für diese Fraktionen schaffen.
Die autonom-anarchistische Szene ist beinahe ausschließlich in lockeren Gruppen und Plattformen organisiert. Ihre Aktionen werden meist von spontan gebildeten „Bezugsgruppen“ organisiert. Die autonome Szene manifestiert sich eher als Subkultur ohne Hierarchien. Sie kooperieren gelegentlich und spontan mit anderen linksextremen Gruppierungen; die Haupteinheit in dieser Szene ist das Individuum.
Internationale Verbindungen
Die deutsche und österreichische linksextreme Szene ist eng miteinander verbunden. Die deutschsprachigen Szenen pflegen aber auch gute, wenngleich weniger intensive Kontakte mit verschiedenen linksextremen Gruppierungen in anderen Ländern, v.a. in Griechenland, Italien und Polen. Obwohl diese Kontakte in erster Linie auf individuelle Kontakte angewiesen sind und keine stabilen Strukturen oder Netzwerke existieren, resultiert nichtsdestotrotz die Schlagkraft der Linksextremen u.a. aus deren internationalen Vernetzung.
Für weitere Details, siehe Thieme, Tom (2018): Die internationale Vernetzung von Linksextremisten
Strategien
Marxistisch-leninistische Gruppen konzentrieren sich darauf, eine Revolution herbeizuführen um ihre sozialen Ziele zu erreichen. Eine wesentliche Annahme dieses Plans ist, dass die Revolution die Unterstützung und Mobilisierung eines großen Teils der Gesellschaft erfordert. Diese Fraktionen sind zumeist als Kaderpartei mit strenger Hierarchie strukturiert, mit einem Leitungsgremium bzw. einem Zentralkomitee, das Befehle erteilt. (vgl. Mandl / Katona 2018)
Trotzkistische Fraktionen hingegen sehen sich in einer permanenten Revolution, die sich in der kontinuierlichen Entwicklung des Sozialismus manifestiert. Die primäre Strategie der trotzkistischen Fraktionen zur Erreichung ihrer Ziele ist die Infiltration demokratischer Institutionen (Parteien, Gewerkschaften) mit dem Ziel, die Politik zu beeinflussen. (vgl. Mandl / Katona 2018)
Angesichts der unscharfen ideologischen Gesinnung sowie der knapp definierten politische Ziele verfolgen autonom-anarchistische Plattformen andere Ansätze. Da jegliche Strukturen (inkl. der Staat) von Autonomen abgelehnt werden und es daher auch an internen Strukturen fehlt, gibt es kaum eine einheitliche Strategie. Stattdessen steht das Individuum im Fokus, dessen Freiheiten gegenüber der Gesellschaft und dem Staat verteidigt werden sollen, u.a. mit Gewalt. Dies geschieht v.a. durch die Errichtung, Aufrechterhaltung und Verteidigung von Freiräumen, z.B. durch Hausbesetzungen oder in Jugendclubs.
Deutungsrahmen
Fast alle linksextremen Erzählungen bauen auf Solidarität mit einer unterdrückten Gruppe, hauptsächlich Minderheiten oder der Arbeiterklasse. Staatliche Institutionen sowie alle Akteure, die das derzeitige System unterstützen und damit zu seiner Aufrechterhaltung beitragen, werden von Linksextremen (scharf) kritisiert. Diese Kritik wird oft als Antifaschismus bezeichnet, da der Staat von einigen als faschistisch angesehen wird. Ein Großteil der linksextremen Erzählungen ist in kurze, eingängige Parolen verpackt.
Marxistische, leninistische und trotzkistische Fraktionen konzentrieren sich in letzter Zeit auf „Antifaschismus“, Migration (v.a. Flüchtlinge und Asylsuchende), Kapitalismuskritik, Globalismus, Feminismus und soziale Themen. Deutschsprachige linksextreme Gruppen sind auch für ihr Engagement für kurdische Angelegenheiten bekannt. (vgl. Mandl / Katona 2018)
Seit kurzem spielen auch Themen rund um soziale Gerechtigkeit – im Kontext der sogenannten Kulturkriege – eine wichtige Rolle. Dabei werden Narrative über Gleichheit und Vielfalt vor allem in Bezug auf Rasse, Geschlecht, sexuelle Orientierung und Behinderungen verbreitet.
Auch die Themen Klimawandel und Umwelt gewinnen immer mehr an Bedeutung und haben aktuell starkes Mobilisierungspotenzial. Die Klimakrise wird dabei als direktes Ergebnis des Kapitalismus und der Globalisierung dargestellt und instrumentalisiert, um die Agenda der Abschaffung des Kapitalismus und seiner Ersetzung durch den Kommunismus voranzutreiben. Solche Erzählungen werden auch oft in klassenbezogene Rahmen integriert, in denen “reiche” Menschen für den Klimawandel verantwortlich gemacht werden.
Ähnliche staatskritische Positionen sind auch in die Narrative zu Flüchtlingen, Asyl und Migration eingewoben. Linksextreme Gruppen plädieren für die Abschaffung des Nationalstaats, um dadurch die freie Bewegung für Flüchtlingen und Migranten (die als eine vom globalen Kapitalismus und den europäischen Staaten unterdrückte Minderheit dargestellt werden) zu ermöglichen. Solche Erzählungen werden am stärksten im autonom-anarchistischen Spektrum verbreitet.
Weitere linksextreme Narrative fokussieren sich auf Antiimperialismus und sind oft mit Postkolonialismus verknüpft. Diese Narrative kritisieren westliche Nationalstaaten für ihr militärisches Engagement, häufig im Kontext von Fluchtbewegungen. In diesem Kontext werden die USA und NATO als Hauptgegner wahrgenommen, während die Russische Föderation und die Volksrepublik China tendenziell unterstützt werden.
Weiterführende Literatur
Lang, Jürgen P. (2012): Linksextremistische Argumentationsmuster
“Die vorliegende Veröffentlichung setzt sich anhand ausgewählter Beispiele mit Argumentationsmustern im Linksextremismus auseinander und liefert wesentliche Erkenntnisse, die insbesondere für die Linksextremismusprävention im Rahmen der politischen Bildung hilfreiche Einblicke liefert.”
Siewert, Norman (2019): “RiseUp4Rojava”. Der Konflikt in Nordsyrien und die Kurdensolidarität im Linksextremismus
“Die militärischen Interventionen der Türkei in Nord- und Nordostsyrien seit 2016 bis heute dienten vornehmlich dazu, ein kurdisches Autonomiegebiet in Syrien zu verhindern. Ein solches hatte sich nämlich in den Wirren des syrischen Bürgerkrieges und im Zuge des erfolgreichen Abwehrkampfes gegen den „Islamischen Staat“ (IS) sukzessive herausgebildet – unter dem Namen „Rojava“. Dieses steht nicht nur für den kurdischen Wunsch nach Selbstverwaltung, sondern auch für eine sozialistisch-demokratische Utopie, die auf Seiten der demokratischen und extremistischen Linken international große Anerkennung findet. Das Thema „Kurdensolidarität“ ist mithin seit 2014 zu einem wichtigen emotionalen und strategischen Kampagnenschwerpunkt in der linksextremistischen Szene geworden.”
Ästhetik
Aus visueller Sicht sind Graffitis, simple Designs und Vintage-Style die Markenzeichen des zeitgenössischen Linksextremismus im deutschsprachigen Raum. Das visuelle Branding linksextremistischer Gruppen basiert auf der Verwendung gängiger Symbole, die auch in den meisten ihrer Aktivitäten reproduziert werden. Die am weitesten verbreiteten Symbole sind die geballte Faust, Variationen eines (oder mehrerer, meistens roten) Sterns, sowie nebeneinander gruppierte schwarze und rote Fahnen. Eine Ähnlichkeit mit der “Neuen Rechten” ist der Rückgriff der Linksextremen auf eher altmodische, simple und klassische visuelle Designs. Begleitet wird dies oft von der häufigen Verwendung von Graffitis, die den Aktivitäten der Szene einen rauen Look verleihen.
Das physische Erscheinungsbild der deutschsprachigen linksextremen Szene gleicht der österreichischen neuen rechten Szene. Meistens tragen Linksextreme schwarze Kleidung, in Kombination mit Gesichtsmasken oder Bandanas, um ihre Identität zu verbergen. Neben diesem Outfit ist die linksextreme Szene auch für ihr martialisches Auftreten und den Einsatz von Pyrotechnik bzw. Leuchtfeuer bekannt.
Musik
Wie in anderen extremistischen Szenen spielt auch in linksextremen Kreisen Musik eine wichtige Rolle als Instrument für Rekrutierung, Mobilisierung und die Stärkung des Zusammenhalts. Linksextreme Musik ist äußerst vielfältig und reicht von Hip Hop und Rap bis zu Rock und Punk. Im Vergleich zu anderen extremistischen Szenen sind linksextreme Lieder tendenziell weniger hasserfüllt und gewaltorientiert, wenngleich Hassmusik im autonomen Spektrum keine Seltenheit ist.
Mehr über linksextremistische Musik:
Rudolf van Hüllen. Kultur für den Klassenkampf: Linksextremistische Musik
Ulrike Madest (2014). Linksextremistische Musik
Aktivismus und rekrutierung
Aus strategischer Sicht versucht die linksextreme Szene v.a. aktuelle Entwicklungen, insbesondere politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Missstände, aufzugreifen und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Ihre Aktivitäten und Rekrutierungsstrategien sind stark abhängig von den laufenden politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im In- und Ausland. Die Rekrutierung beruht v.a. auf der Bereitstellung sozialer Zugehörigkeit, Gemeinschaft, Kameradschaft, Anerkennung, Abenteuer. Massenkundgebungen und Aktivismus zusammen mit einem einheitlichen Erscheinungsbild (siehe oben) tragen dazu bei, diese Werte zu vermitteln, indem das Individuum als Haupteinheit durch eine kollektive Gruppe ersetzt wird, die auf eine gemeinsame Sache hinarbeitet. Zusätzlich vermittelt der linksextreme Aktivismus ein Gefühl von Abenteuer.
Die häufigste Aktivität des linksextremen Spektrums sind Massendemonstrationen. Diese haben großteils reaktiven Charakter, d.h. sie beziehen sich fast immer auf aktuelle Ereignisse oder sind Gegendemonstrationen. Zusätzlich zum Einsatz von Pyrotechnik bzw. Leuchtfeuer und dem martialischen Auftreten werden Demonstrationen oft gewalttätig gegenüber der Polizei, staatlichen Institutionen (v.a. in Form von Vandalismus gegen Staatseigentum) oder als feindselig empfundenen Gruppen (hauptsächlich Rechtsextremisten).
Als eine radikalere Form des Protests kommt es auch zu Hausbesetzungen durch linksextreme Akteure. Zudem spielen sogenannte autonome bzw. freie Räume eine wichtige Rolle, wo Linksextreme sich sammeln und Ideen verwirklichen können.
Obwohl der digitale Auftritt der deutschsprachigen linksextremen Szene im Vergleich zu rechtsextremen und jihadistischen AkteurInnen eher gemäßigt ist, gibt es mehrere linksextreme Medienprojekte, die darauf abzielen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, politische Gegner zu diskreditieren und neue Mitglieder zu rekrutieren.
Mehr dazu: Rudolf van Hüllen (2014): Linksextreme Medien
“Linksextreme Medien wollen nicht möglichst objektiv über allgemeine Belange berichten. Sie sind auch keine Wirtschaftsunternehmen, die kundenorientiert Leistungen verkaufen wollen. Sie verfolgen politische Ziele - und bekämpfen die politischen Gegner.”
LinksTerrorismus
Laut Schätzungen der deutschen Sicherheitsbehörden (Stand: Ende 2021) gebe es ca. 10 300 Personen in der linksextremen Szene, die gewaltbereit seien. In Österreich gibt es diesbezüglich noch keine öffentlich verfügbaren Schätzungen.
Marxistische/leninistische/trotzkistische Fraktionen wenden nicht unbedingt Gewalt an, sind aber auch nicht strikt dagegen und nehmen sie mitunter als legitimes Instrument des politischen Kampfs in der Revolution wahr. In Österreich stellten die drei Fraktionen, laut Behörden, jedoch kaum eine Sicherheitsbedrohung dar. Allfällige gewalttätige Vorfälle sind überwiegend anarchistischen Gruppierungen zuzuordnen. In der autonom-anarchistischen Szene wird Gewalt unter dem Narrativ der Selbstverteidigung gegen das „repressive“ Gewaltmonopol des Staates unterstützt und akzeptiert.
Linksextreme Aktionen im deutschsprachigen Raum sind großteils vandalistisch und richten sich v.a. gegen Objekte. Aber auch gegen ideologische Gegner (v.a. rechtsgesinnte AkteurInnen) und gegen Staatsgewalt (v.a. PolizistInnen) wird öfter Gewalt angewendet. (siehe van Hüllen ; Counter Extremism Project)
Weiterführende Literatur
Teun van Dongen (2021). We Need to Talk About Left-Wing Extremism. Or Do We?
Der Artikel schildert den aktuellen Stand des Linksterrorismus in Europa. Im Vergleich zu Rechtsterrorismus und jihadistischen Terrorismus sei die Gefahr gering. Obwohl in letzter Zeit besorgniserregende Entwicklungen in Deutschland wahrgenommen wurden, sind die meisten europäischen Länder nicht von Linksterrorismus betroffen. Zudem beschränkt sich die Auswirkungen des Linksterrorismus meist auf Sachschäden und fordert derzeit kaum menschliche Opfer.
Segler, Tim (2021): Auf dem Weg in einen neuen Linksterrorismus? Linksextreme Gewalteskalation und die Antwort der Sicherheitsbehörden am Beispiel der Leipziger autonomen Szene
“Der militante Linksextremismus im Leipziger Stadtteil Connewitz steht im Zentrum und im Kontext einer bundesweit feststellbaren Entgrenzung politisch motivierter Gewalt. Den Verfassungsschutzbehörden bereitet die wachsende Anzahl gewaltbereiter Linksextremisten und deren zunehmend professionelles und konspiratives Vorgehen Sorgen. Nimmt das Eskalationspotential der gewaltbereit-urbanen Szene in den Großstädten weiter zu? Kann bereits von einem neuen Linksterrorismus gesprochen werden?”
Siewert, Norman (2018): Linksextreme Gewalt und Linksterrorismus in Deutschland und Europa
“Die Ausschreitungen anlässlich des G-20-Gipfels in Hamburg im Sommer 2017 haben das Eskalationspotential der linksextremen Szene offenbart. Es ist nicht das erste Mal, dass es in jüngster Zeit zu massiver linksextrem motivierter Gewalt kam. Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/08 stieg in Deutschland und in anderen - v.a südeuropäischen - Ländern das linksextreme Gewalt- und Personenpotential erheblich an. Das Papier betrachtete das Gefahrenpotential, das in Europa von linker Militanz ausgeht, und wirft die Frage auf, ob ein neuer Linksterrorismus droht.”